Rachepornografie – Was tun, wenn intime Aufnahmen ohne Ihre Zustimmung verbreitet werden?
Rachepornografie / Revenge Porn – Was Sie wissen sollten, wenn intime Aufnahmen ohne Ihre Zustimmung verbreitet werden
In der digitalen Ära ist der Schutz der Privatsphäre von größter Bedeutung. Mit nur einem Klick oder durch das Hochladen per Smartphone können persönliche Daten und Bilder schnell verbreitet werden. Wenn einmal intime Inhalte online sind, gelangen sie oft rasch in die falschen Hände und verbreiten sich weiter – was zu schwerwiegenden Datenschutzverletzungen und einer Entwertung der Persönlichkeitsrechte führen kann. Besonders gravierend ist es, wenn private, intime Aufnahmen ohne das Einverständnis der betroffenen Person veröffentlicht werden – ein immer häufiger vorkommendes Phänomen, das als Rachepornografie oder Revenge Porn bekannt ist. In diesem Text möchte ich Sie über die rechtliche Lage in Deutschland informieren und Ihnen als Betroffene praktische Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.
1. Was versteht man unter Rachepornografie?
Rachepornografie, auch als „Revenge Porn“ bekannt, bezeichnet die unerlaubte Veröffentlichung oder Verbreitung von pornografischen Inhalten einer Person ohne deren Einverständnis. Häufig wird dies als Racheakt von einem ehemaligen Partner durchgeführt. Die Formen dieser Verletzung reichen von der Weitergabe privater Nachrichten und Fotos bis hin zu sexuell expliziten Videos. Täter nutzen vor allem soziale Medien, Foren und spezielle Plattformen, um maximalen Schaden zu verursachen oder sogar finanziellen Gewinn zu erzielen, indem sie die Bilder und Videos verkaufen. In vielen Fällen wird die Veröffentlichung auch als Erpressung oder Druckmittel eingesetzt.
2. Rechtlicher Hintergrund in Deutschland
Betroffene von Rachepornografie können sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich gegen die unbefugte Veröffentlichung vorgehen. Abhängig vom konkreten Fall können verschiedene Straftatbestände in Frage kommen, wie etwa § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen), § 184k StGB (Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen) oder § 238 StGB (Stalking).
Nach § 201a StGB ist das unerlaubte Erstellen, Übertragen oder Zugänglichmachen von Bildaufnahmen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person betreffen, strafbar. Dies bedeutet, dass das Anfertigen oder Verbreiten von intimen Bildern oder Videos ohne die Zustimmung der betroffenen Person mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden kann.
- Absatz 1 schützt Bilder von Personen, die sich in einem besonders geschützten Raum wie einer Wohnung aufhalten.
- Absatz 2 erweitert den Schutz und stellt das unbefugte Zugänglichmachen solcher Aufnahmen unter Strafe.
Seit dem 1. Januar 2021 schützt § 184k StGB vor der heimlichen Anfertigung oder Verwendung von Bildern, die Personen in einer bloßstellenden oder intimen Pose zeigen – unabhängig vom Aufnahmeort. Diese Bestimmung schließt eine Lücke, die speziell den Intimbereich betrifft.
In Fällen von wiederholtem und belästigendem Verhalten, das durch die Verbreitung intimer Bilder eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensführung des Opfers zur Folge hat, kann auch § 238 StGB (Stalking) zur Anwendung kommen. Diese Vorschrift wurde zum 1. Oktober 2021 erweitert, um auch wiederholte Verbreitungen intimer Bilder als Stalking-Tatbestand zu erfassen.
Auch zivilrechtlich können Betroffene vorgehen. Sie können sich auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen, das aus Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes abgeleitet wird. Ebenso kann das KunstUrhG (Gesetz über das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie) zur Grundlage genommen werden. Laut § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit der Einwilligung der abgebildeten Person verbreitet werden. Betroffene können zudem einen Unterlassungsanspruch geltend machen, um die weitere Verbreitung zu verhindern und die Löschung der Inhalte zu erreichen.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Schadensersatz und gegebenenfalls eine Geldentschädigung zu fordern. Sowohl materielle als auch immaterielle Schäden sind erstattungsfähig. Die Höhe des Schadensersatzes wird im Einzelfall ermittelt und berücksichtigt die Schwere des Eingriffs sowie die individuellen Umstände.
3. Handlungsempfehlungen
Opfer von Rachepornografie müssen nicht hilflos bleiben – es gibt sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Möglichkeiten, sich zu wehren.
Um effektiv gegen Rachepornografie vorzugehen, sollten Sie folgende Schritte beachten:
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Sofortiges Handeln bei Entdeckung
- Dokumentation: Wenn Sie mit Rachepornografie konfrontiert werden, sollten Sie alle relevanten Beweise sichern. Dazu gehören Screenshots von Webseiten, URLs sowie jegliche Kommunikation, die als Nachweis für die unerlaubte Veröffentlichung dienen kann.
- Meldung bei Plattformen: Viele soziale Netzwerke und Webseiten haben Richtlinien zur Bekämpfung von Rachepornografie und bieten eine Funktion zur Meldung unangemessener Inhalte. Nutzen Sie diese umgehend, um die Entfernung der betroffenen Materialien zu beantragen.
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Rechtliche Schritte einleiten
- Anzeige erstatten: Überprüfen Sie, ob Sie strafrechtliche Schritte einleiten können. Es ist ratsam, sich dazu rechtzeitig juristisch beraten zu lassen.
- Rechtsanwalt/Rechtsanwältin hinzuziehen: Konsultieren Sie einen Anwalt oder eine Anwältin, um Ihre Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz durchzusetzen. Ein erfahrener Anwalt kann Sie bei der rechtlichen Geltendmachung und der Formulierung entsprechender Ansprüche unterstützen.
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Kontakt zu Unterstützungsnetzwerken
- Beratungsstellen aufsuchen: Es gibt zahlreiche Beratungsstellen und Organisationen, die sich auf die Unterstützung von Opfern von Internetkriminalität, einschließlich Rachepornografie, spezialisiert haben. Diese Stellen bieten nicht nur rechtliche Beratung, sondern auch psychologische Unterstützung und praktische Hilfe, um die Auswirkungen der Tat zu mildern und die nächsten Schritte zu planen.
4. Beispiele aus der Rechtsprechung
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Landgericht Kiel (Urteil vom 27.04.2006, Az.: 4 O 251/05): In einem Fall veröffentlichte der Ex-Partner einer Frau intime Bilder von ihr, zusammen mit ihrem vollen Namen, ihrer Adresse und Telefonnummer. Dadurch wurde der Eindruck erweckt, sie biete sexuelle Dienstleistungen an. Als Folge erhielt sie unsittliche Angebote. Das Gericht sprach ihr ein Schmerzensgeld von 25.000 Euro zu.
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Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 03.03.1997, Az.: 3 U 132/96): Ein Amateurmodel hatte in einem Fotostudio Aktfotos gemacht. Ein Lehrling des Fotografen stahl einige dieser Bilder und verkaufte sie mit einem gefälschten Modelvertrag an ein Magazin. Ein Bild erschien später als Coverfoto eines Magazins mit einem anstößigen Titel. Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass dem Model eine Schmerzensgeldzahlung von 20.000 DM zusteht, da die Redaktion bei der Verwendung von Aktfotos besonders sorgfältig recherchieren muss.
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Landgericht Hamburg (Urteil vom 20.07.2001, Az.: 324 O 68/01): Das Landgericht Hamburg entschied, dass Prominenten bei der Veröffentlichung von Paparazzi-Aktfotos eine Entschädigung von 150.000 DM zusteht.
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Landgericht Frankfurt (Urteil vom 20.05.2014, Az.: 2-03 O 189/13): In einem Fall, in dem Nacktbilder einer minderjährigen Person unbeabsichtigt kopiert und an Mitschüler weiterverbreitet wurden, entschied das Gericht, dass die Verbreiterin ein Schmerzensgeld von 1.000 Euro zahlen muss.
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Landgericht Berlin (Urteil vom 07.10.2014, Az.: 27 O 166/14): In einem weiteren Fall entschied das Landgericht Berlin, dass die unerlaubte Veröffentlichung eines privaten Sexvideos im Internet nach einer Trennung ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro rechtfertigt.
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Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 16.11.2011, Az.: 12 O 438/10): In einem Fall, in dem Personen im Rahmen einer Kunstaktion nackt posierten, entschied das Landgericht Düsseldorf, dass auch in solchen Fällen keine Bilder ohne Zustimmung der betroffenen Personen im öffentlichen Programmheft veröffentlicht werden dürfen. Der Verantwortliche wurde zu einer Schmerzensgeldzahlung von 5.000 Euro verurteilt.
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Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 20.02.2017, Az.: 3 U 138/15): Eine junge Frau, deren Bild aus einer privaten Situation im Internet verbreitet wurde, erhielt nur 7.000 Euro Schmerzensgeld. Dies stellt eine Reduzierung der ursprünglichen Entscheidung dar.
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Oberlandesgericht Oldenburg (Beschluss vom 05.03.2018, Az.: 13 U 70/17): In einem jüngeren Fall wurde einer Frau, deren intime Fotos durch eine ehemalige Freundin weitergeleitet wurden, lediglich 500 Euro Schmerzensgeld zugesprochen, da sie selbst durch das Versenden der Bilder zur Verbreitung beigetragen hatte.
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Oberlandesgericht Oldenburg (Urteil vom 11.08.2015, Az.: 13 U 25/15): Ein Mann, der das Gesicht seiner Ex-Partnerin auf pornografische Bilder montiert und diese online gestellt hatte, wurde zu einer Schmerzensgeldzahlung von 15.000 Euro verurteilt. In der ersten Instanz war der Betrag noch höher angesetzt worden.
Über die Autorin

Anne-Kathrin Renz
Anne-Kathrin Renz ist Rechtsanwältin, Datenschutz- und Lehrbeauftragte. Sie hat den theoretischen Teil der Fachanwaltsausbildung Gewerblicher Rechtsschutz und IT-Recht absolviert. Im Blog berichtet sie über aktuelle Themen aus der digitalen Welt der Juristerei.